Verrechnungspreise – der Spagat von Steuern und Steuerung
IDL: Herr Kleinhietpaß, Sie sagen,steuerliche Verrechnungspreisegehen auch Controller an. Warum?
Guido Kleinhietpaß: Auf den ersten Blick scheinen Transferpreise tatsächlich nur ein Thema der Steuerabteilung zu sein. Sie verteilt den Gewinn eines Konzerns auf die Landesgesellschaften, so dass alle Länder einen„fairen“ Anteil daran besteuern können. Allerdings muss man einen Schritt vorher anfangen. Es beginnt doch mit der Frage, ob Gewinn überhaupt entsteht bzw. wie das Ergebnis verbessert werden kann. Mit anderen Worten:Die Steuerabteilung kann nur verteilen, was vorher operativ erwirtschaftet wurde. Leider beeinflussen sich diese beiden Aspekte wechselseitig.Trotzdem sagen manche: „Überlasst die konzerninternen Preisbeziehungen der Steuerabteilung!“. Ich vergleiche das daher mit einem Kuchen, den viele mithelfen zu backen.
Sie können den fertigen Kuchen in beliebig große Stücke schneiden, d.h. den Gewinn beliebig auf Landesgesellschaften verteilen. Allerdings sollte man die jeweilige Motivation nicht außer Acht lassen. Im nächsten Geschäftsjahr muss der Kuchen neu gebacken werden. Die steuerlichen Regeln verzerren Informationen und Anreize teilweise in ihr Gegenteil. Darum muss ich als Controller wissen, wie die Steuerabteilung die Gewinne der Landesgesellschaft beeinflusst.
Es ist unbestritten wichtig, dass die Steuerabteilung durch ihr Tun Sanktionen oder gar Doppelbesteuerung abwendet. Genauso wichtig ist aber auch, dass Controller entsprechende ergänzende Informationen bereitstellen. Nur so kann das Management die operativ richtigen Entscheidungen treffen. Dazu finde ich es wichtig, dass wir auf Augenhöhe mit den Steuerkollegen reden können. Wer die steuerlichen Konzepte kennt, kann den Einfluss auf das Ergebnis erkennen. Umgekehrt sollten Controller der Steuerabteilung ihre Steuerungskonzepte erläutern. Schließlich unterscheiden sich die Ziele und Vorgehensweisen beider Abteilungen stark. Manche Steuerexperten glauben übrigens heute noch, dass ihre Methoden keinen Einfluss auf die Gewinnhöhe haben. Ich könnte also mit gleicher Berechtigung sagen, sie sollten sich für die Steuerungskonzepte von uns Controllern interessieren.
IDL: Das Steuerrecht ist gesetzlich fixiert.Sollte es da nicht den Vorrang vor Controlling-Interessen haben?
Der Satz „Tax follows business“, der übrigens von den Steuerexperten selber stammt, sagt etwas anderes. Aber ja, einige Firmen sehen das so und sprechen vom „Primat des Steuerrechts“. Das ist, so scheint es mir, den empfindlichen steuerlichen Strafen geschuldet. Ich kann mit dieser Einstellung jedoch wenig anfangen. Weder Compliance noch Vermeidung von Sanktionen sind für mich Argumente. Selbstverständlich müssen Gesetze eingehalten werden, aber das ist doch kein Ziel für das Unternehmen, sondern eine Nebenbedingung. Daraus resultiert kein Vorrang der Steuerabteilung.
Zielgrößen sind zum Beispiel die Nachsteuer-Rendite, -Gewinn oder-Cashflow. Dabei optimiert die Steuerabteilung die Konzernsteuerquote und das Controlling optimiert das Vorsteuer-Ergebnis. Da sollte Gleichberechtigung herrschen. Der Konflikt kommt daher, dass sowohl Steuerrecht als auch Steuerung die Buchhaltung benötigen. Das Steuerrecht muss zwingend fremdübliche Preise und Margen abbilden. Dann ist es für Controller oft schwer, eine parallele Information zur Steuerung zu erzeugen. Die EDV-Systeme sind darauf gar nicht ausgerichtet. Das gilt übrigens auch umgekehrt.Viele Unternehmen tun sich schwer,der Steuerabteilung die Daten bereit-zustellen, die sie benötigt.
In den letzten Jahren ist der Blick auf Legaleinheiten immer weiter in den Hintergrund geraten. Heutzutage dominiert der Blick auf Business Units. Entsprechend sind Standardberichte, welche die Marge einer Transaktion zwischen zwei Konzernunternehmen darstellen,oft nicht vorhanden. In kleineren Unternehmen müssen die Daten für unterjährige Soll-Ist-Vergleiche oft in Excel zusammengestellt werden. So betrachtet könnte man Ihre Eingangs-frage in Richtung der IT-Abteilung ausweiten.
IDL: Das alles hört sich nach hohem Aufwand an. Erkennen Sie einenTrend, wie die Unternehmen damit umgehen?
Die meisten Kontakte und Eindrücke erhalte ich aus meiner Seminartätigkeit. Angesichts der zahlreichen Teilnehmer glaube ich schon, dass man von Trends sprechen kann. Hierbei ist es spannend, eine Zweiteilung zu beobachten. Ein großer Trend der letzten Jahre ist die „Harmonisierung des Rechnungswesens“. Das Ziel, den Auf-wand im Rechnungswesen zu senken,kennen alle unsere Teilnehmer. Mir scheint, dieser Trend ist weiterhin un-gebrochen. Speziell im Fachseminar Verrechnungspreise beobachte ich aber etwas anderes. Da sitzen die Kollegen, denen die geschilderte Problematik bewusst ist. Manchmal sind zu meiner Freude auch Kollegen aus den Steuerabteilungen dabei. Die Frage lautet dort eher, wie viel Aufwand ist nötig, um Steuerungsdefizite zu vermeiden, welche Konzepte verwenden die Kollegen, welche Software-Tools gibt es usw. Da stecken so viele Teil-fragen drin, dass wir das gar nicht mehr zeitlich im Seminar unterbringen und daher im November erstmalig eine Fachkonferenz zu Verrechnungspreisen anbieten – um zum Beispiel auch stärker auf IT-Aspekte eingehen zu können. Hier sehen wir einen enormen Bedarf. Aber es zeigt zugleich,dass sich viele Unternehmen des Zielkonflikts zwischen Steuern und Steuerung erst jetzt bewusst werden und beginnen, nach Lösungen zu suchen.
Vielen Dank für das Gespräch!