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Unternehmensbewertung: Zinssatz und weitere Herausforderungen

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Die Ursachen für das bestehende Niedrigzinsniveau sind vielfältig. Ein wesentlicher Einflussfaktor für das aktuelle Zinsniveau liegt nicht zuletzt im Krisenmanagement der Zentralbanken im Zuge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise. Das Krisenmanagement beinhaltete eine expansive Geldpolitik, die das Zinsniveau – auch heute noch – nach unten drückt. Die Auswirkungen des Niedrigzinsniveaus auf die Unternehmen sind sehr hoch und vielschichtig. Die Einflüsse gehen von der (Eigen-) Finanzierung über die Bilanzierung bis hin zu der Unternehmensbewertung.

Mit Blick auf die Bilanzierung rückt regelmäßig die Bilanzposition der Pensionsrückstellungen in den Mittelpunkt. Hintergrund ist, dass diese mit dem Barwert angesetzt werden, wodurch sich bei einem sinkenden bewertungsrelevanten Zinssatz – c.p. – steigende Pensionsrückstellungen ergeben. Geringeren Zinssätzen und Kapitalkosten auf der Passivseite stehen geringere Renditen auf der Aktivseite gegenüber. Diese tangieren auch die Beteiligungsbewertung, da für diese die nachhaltigen Zahlungsüberschüsse der bilanzierten Beteiligungen mit einem risikoadäquaten Zinssatz diskontiert werden.

Unternehmensbewertung nach IDW S 1

In der Praxis der Unternehmensbewertung ist zum (Bewertungs-) Stichtag der Kapitalisierungszinssatz zu ermitteln, in den neben der Risikoprämie (zusammengesetzt aus einer einheitlichen Bandbreite für die Marktrisikoprämie und einem unternehmensspezifischen Beta-Faktor) der Basiszinssatz nach IDW S 1 eingeht. Der Basiszinssatz nach IDW S 1 basiert dabei auf einer dreimonatigen Durchschnittsbetrachtung von Nullkuponanleihen (Spot Rates), die anhand eines vereinfachten Bewertungsmodells barwertäquivalent zu einem Einheitszins verdichtet und anschließend kaufmännisch auf- bzw. abgerundet werden. Um die Schwankungen beim Kapitalisierungszinssatz und insbesondere beim Basiszinssatz so gering wie möglich zu halten – beispielsweise vor dem Hintergrund eines verschobenen Bewertungsstichtags – empfahl der FAUB im Juni 2005 eine kaufmännische Rundung des Basiszinssatzes auf 1/4-Prozentpunkte1. Das anhaltende Niedrigzinsniveau veranlasste den FAUB im Jahr 2016 dazu, eine neue Empfehlung zur Rundung des Basiszinssatzes auszusprechen.

Seitdem ist der ungerundete, aus den Zinsstrukturdaten der Deutschen Bundesbank abgeleitete Basiszinssatz, unter der Voraussetzung, dass dieser unter einem Prozentpunkt liegt, auf 1/10- Prozentpunkte zu runden. Hierdurch sollen Unternehmenswerte – während Zeiten niedriger Zinsen – genauer ermittelt werden. Eine entsprechende Ergänzung der F&A zu IDW S 1 i.d.F. 2008 wurde vorgenommen.

In den letzten Monaten konnte der Basiszinssatz nach IDW S 1 einen Zuwachs verzeichnen. Wenngleich sich dieser immer noch auf sehr niedrigem Niveau bewegt, ist der Anstieg seit 30.09.2016 beachtenswert. Zu diesem Zeitpunkt belief sich der Basiszinssatz nach IDW S 1 – nach der 1/10- Rundung – auf 0,50 % und hat seither einen Anstieg um 0,75 Prozentpunkte auf 1,25 % (zum 01.05.2017) erfahren. Aktuell wird der Basiszinssatz – aufgrund der Tatsache, dass dieser ungerundet bei über 1,00 % liegt – mittels der 1/4- Rundung ermittelt. Abbildung 1 zeigt die Entwicklung des Basiszinssatzes nach IDW S 1 seit dem 01.01.2009 auf.

Der bewertungsrelevante Kapitalisierungszinssatz wird – analog zum (Tax-) CAPM – mittels des Basiszinssatzes sowie einer Risikoprämie ermittelt. Die Risikoprämie ist dabei die mit dem Beta-Faktor gewichtete Marktrisikoprämie. Ziel der Risikoprämie ist es, das unternehmensspezifische Risiko des zu bewertenden Unternehmens sowie auch der Branche abzubilden. Für Zwecke der Bewertung einer ewigen Rente (in der sog. zweiten Phase nach IDW S 1 i.d.F. 2008) ist zudem die Berücksichtigung eines Wachstumsabschlags im Kapitalisierungszinssatz zulässig. Der FAUB des IDW hat zu der Höhe der Marktrisikoprämie eine Empfehlung ausgesprochen: Seit Ende 2012 beinhaltet die Empfehlung eine zu verwendende Bandbreite von 5,5 % bis 7,0 % (vor pers. Steuern) bzw. 5,0 % bis 6,0 % (nach pers. Steuern). Mit der Anhebung der empfohlenen Marktrisikoprämie hat das IDW auf die anhaltende Niedrigzinsphase reagiert. Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Empfehlungen des FAUB.

Trotz des allgemein anhaltenden Niedrigzinsniveaus und des damit einhergehenden weiteren Absinkens des Basiszinssatzes hat der FAUB seine 2012 zuletzt aktualisierte Empfehlung im Jahr 2016 nochmals bestätigt. Vor dem Hintergrund der aktuell empfohlenen Zinssätze zeigt sich, dass sich die Bandbreite der Marktrisikoprämie – abweichend zum Basiszinssatz – seit Jahren konstant verhält. Hingegen erfährt der Basiszinssatz nach IDW S 1 seit Jahren einen starken Rückgang, wodurch sich – bei einem vergleichsweise konstanten Niveau der Marktrisikoprämie – auch der bewertungsrelevante Kapitalisierungszinssatz rückläufig verhält. Abbildung 2 zeigt dessen Entwicklung auf.

Gemäß IDW S 1 sind zur Ermittlung des Unternehmenswerts insbesondere das Ertragswert- sowie auch die DCF-Verfahren geeignet5. Bei den Verfahren wird der Unternehmenswert abgeleitet, indem die den Anteilseignern zufließenden zukünftigen Zahlungsüberschüsse auf den Bewertungsstichtag diskontiert werden. So basieren sowohl das Ertragswert- als auch die DCF-Verfahren auf dem Kapitalwertkalkül. Vor dem Hintergrund des Niedrigzinsniveaus bedeutet dies, dass unter ansonsten gleichen Annahmen der Unternehmenswert bei sinkenden Zinssätzen steigt. Teilweise reagiert die Praxis auf die niedrigen Basiszinssätze mit der Verwendung einer Marktrisikoprämie am oberen Ende der vom FAUB empfohlenen Bandbreite. Damit wird zumindest teilweise das niedrige Basiszinsniveau hinsichtlich seines Einflusses auf den Kapitalisierungszinssatz kompensiert.

Beteiligungsbewertung

Als einen Bewertungsanlass führt das Rahmenkonzept des IDW S 1 i.d.F. 2008 die (Gesamt-) Bewertung von Unternehmen für Zwecke der externen Rechnungslegung auf. Der einer Beteiligung am Abschlussstichtag beizulegende Wert ist als Zukunftserfolgswert grundsätzlich mittels Ertragswertverfahren bzw. DCF-Verfahren zu ermitteln. Insoweit verweist IDW RS HFA 10 auf die Grundsätze des IDW S 1 i.d.F. 2008. Hierbei ist hinsichtlich der zu ermittelnden bewertungsrelevanten Ertrags- bzw. Zahlungsüberschüsse u.a. auf die zutreffende Berücksichtigung von Synergien Bezug zu nehmen.

Neben der Ermittlung der künftigen Cashflows ist im Rahmen der Unternehmensbewertung die Bestimmung eines geeigneten Kapitalisierungszinssatzes zum Bewertungsstichtag notwendig. Dessen Bestimmung folgt den Anforderungen des IDW S 1 i.d.F. 2008 bzw. IDW RS HFA 10 und setzt sich wie bereits erörtert aus dem Basiszinssatz sowie dem Risikozuschlag zusammen.

Die Folge aus dem aktuell niedrigen Basiszinssatz, dem keine insoweit gestiegene Marktrisikoprämie gegenüber steht, ist, dass die Unternehmenswerte steigen, ohne dass substanzielle Ergebnisverbesserungen oder Cashflow-Steigerungen einen Anstieg des Unternehmenswerts begründen würden. D.h. im Zweifel können aufgrund des niedrigen Zinssatzes steigende Unternehmenswerte resultieren, obwohl sich die Ertragslage im Zeitablauf sogar tendenziell verschlechtert hat. Dieser Umstand verdeutlicht, wie folgenreich die Auswirkungen respektive die Effekte der niedrigen Zinsen sein können. Kritiker der internationalen Bilanzierung, die sich dem sog. impairment-only Ansatz verschrieben haben, fühlen sich an mancher Stelle an die Zeiten des Neuen Markts erinnert und befürchten derzeit eine zinssatzinduzierte Blasenbildung im Zusammenhang mit Beteiligungsansätzen in den Jahres- und Konzernabschlüssen sowie den in diesen ausgewiesenen Geschäfts- oder Firmenwerten (Goodwills).

Praxishinweis

Grundsätzlich gilt: Je niedriger der Kapitalisierungszinssatz ist, desto höher ist c.p. der Unternehmenswert. Dies bedeutet, dass bei ansonsten gleichen Annahmen sinkende Bewertungszinssätze zu höheren Unternehmenswerten führen. Hierbei werden sich verschlechternde Ertragslagen durch einen niedrigeren Bewertungszinssatz kaschiert.

Die Risiken des derzeitigen Zinsniveaus liegen auf der Hand: Wenn die Zinsen steigen, offenbaren sich die Bewertungsrisiken im Hinblick auf die zu hoch bewerteten Beteiligungen und Geschäfts- oder Firmenwerte. Die Folge sind außerplanmäßige Abschreibungen, die dann die Ergebnisund Eigenkapitalsituation der Unternehmen belasten.

Fazit: die Rolle von Zinssätzen bei Unternehmensbewertungen

Das Niedrigzinsniveau weist im Bereich der Bilanzierung und Bewertung weitreichende Folgen auf. Durch den gesunkenen Basiszinssatz ergeben sich c.p. steigende Unternehmenswerte, was gleichzeitig große Risiken birgt. Durch den bilanziellen Ansatz von erhöhten Beteiligungs- bzw. Geschäfts- oder Firmenwerten ergibt sich potenzieller Abschreibungsbedarf im Falle steigender Zinsen. Dieser Umstand verdeutlicht die Brisanz des Niedrigzinsniveaus, da sich steigende Unternehmenswerte nicht aufgrund einer verbesserten Ertragslage, sondern durch einen sinkenden Basiszinssatz ergeben haben.

In der Vergangenheit hat sich der Gesetzgeber ausführlich mit der Thematik „Niedrigzinsniveau“ im Rahmen der Bilanzierung beschäftigt. (IDL Dialog I/05-2017 21 WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner ist Geschäftsführer der Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München, und Honorarprofessor der Universität Ulm. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Grundsatzfragen der nationalen und internationalen Rechnungslegung sowie mit Fragen der Unternehmensbewertung. Zwirner vertritt Kleeberg in verschiedenen Gremien. Hierdurch pflegt die Kanzlei den Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis.)

Der Bereich der Pensionsrückstellungen wurde zuletzt im Jahr 2016 mit Blick auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss reformiert, indem der bewertungsrelevante Zinssatz künstlich angehoben wurde. Auch der FAUB des IDW hat mit seiner Empfehlung zur Rundung des Basiszinssatzes auf eine Abmilderung des Niedrigzinsniveaus abgezielt, wenngleich es bisher keine abschließende Lösung zu der bestehenden Niedrigzinsproblematik gibt.

Insbesondere die Entwicklungen in den letzten Monaten sind besorgniserregend. Bis vor kurzem war ein Ende des Zeitraums der niedrigen Zinsen nicht in Sicht. Nichtsdestotrotz deutet mittlerweile einiges auf ein – zumindest mittelfristiges – Ende des Niedrigzinsniveaus hin. Jüngst hat die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) ihren Leitzinssatz erhöht. Dies war bereits die zweite Zinserhöhung innerhalb von wenigen Monaten. Dies korreliert zwar nicht direkt mit dem Basiszinssatz nach IDW S 1, kann jedoch durchaus als Indikator verstanden werden. In den vergangenen Monaten ist der Basiszinssatz nach IDW S 1 stetig angestiegen und hat sich seit seinem Tiefststand mehr als verdoppelt. Dies führt tendenziell wieder zu sinkenden Unternehmenswerten und damit potenziell zu Abschreibungsbedarf, sodass das oben angesprochene Risiko bei einigen Unternehmen bereits eintritt.

Es ist den Bilanzierenden und Beratern anzuraten, sich zeitnah mit der Problematik niedriger Zinsen auseinanderzusetzen und die möglichen Auswirkungen auf das jeweilige Unternehmen einzelfallbezogen zu analysieren. Nur dadurch besteht die Möglichkeit, die bilanziellen Risiken frühzeitig zu erkennen und ggf. Gegenmaßnahmen ergreifen zu können.

Der Autor

WP/StB Prof. Dr. Christian Zwirner ist Geschäftsführer der Dr. Kleeberg & Partner GmbH WPG StBG, München, und Honorarprofessor der Universität Ulm. Er beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Grundsatzfragen der nationalen und internationalen Rechnungslegung sowie mit Fragen der Unternehmensbewertung. Zwirner vertritt Kleeberg in verschiedenen Gremien. Hierdurch pflegt die Kanzlei den Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis.