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IFRS 11 – Gemeinschaftliche Vereinbarungen

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Seit vielen Jahren sind die Neuregelungen der IFRS zur Konsolidierung von Unternehmen in der finalen Version verfügbar. Nach dem erfolgreichen EU Endorsementverfahren sind diese Regelungen  EU-weit für alle kapitalmarktorientieren Unternehmen anzuwenden, soweit ihr Geschäftsjahr nach dem 1. Januar 2014 beginnt.

Die Mehrheit der Unternehmen hat sich auf die Umstellung der Konsolidierungsregelungen sehr gut vorbereitet und Konsolidierungshandbücher, IT-Systeme und nicht zuletzt die Prozesse zur Erstellung der Finanzberichte entsprechend angepasst.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass in der Praxis ein sehr hoher Sicherheitsgrad in der Anwendung der Regelungen zur Vollkonsolidierung beobachtet werden kann, bildet der IFRS 10 (Konzernabschlüsse) doch den Schwerpunkt der Regelungen zur Konsolidierung von Unternehmen. Ebenso ist in der Praxis zu beobachten, dass es immer wieder zu Anwendungsschwierigkeiten bei der Bilanzierung von Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures) kommt, weshalb die Regelungen des IFRS 11 „Gemeinschaftliche Vereinbarungen“ in ihrem Kern im folgenden nochmals kurz dargestellt werden sollen.

Gemeinschaftliche Beherrschung bedeutet Einstimmigkeit

Eine gemeinschaftliche Vereinbarung ist nach IFRS 11 dadurch gekennzeichnet, dass (mindestens) wei Parteien auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung die gemeinschaftliche Beherrschung über die gemeinsam verfolgten Tätigkeiten innehaben. Die Parteien müssen gemeinschaftlich die Beherrschung, wie in IFRS 10 definiert, ausüben können. Die Gemeinsamkeit bedeutet nach IFRS 11 Einstimmigkeit, d.h. jede Partei kann Entscheidungen blockieren und die anderen an der alleinigen Beherrschung hindern.

Gemeinschaftsunternehmen oder gemeinschaftliche Tätigkeit

Kern des IFRS 11 ist die Abgrenzung zwischen Gemeinschaftsunternehmen (Joint Ventures) und Gemeinschaftliche Tätigkeit (Joint Operations). Während erstere Rechte am Eigenkapital und damit auch Anteile am Gewinn oder Verlust begründen, begründen Joint Operations Rechte und Verpflichtungen an (einzelnen) Vermögenswerten und Schulden. Die grundsätzliche Klassifizierung hängt somit von den vertraglichen Rechten und Pflichten des Bilanzierenden ab, die dieser aus der gemeinschaftlichen Vereinbarung besitzt. Ist das Ergebnis dieser Klassifizierung, dass es sich um ein Gemeinschaftsunternehmen handelt, ist dieses nach der Equity Methode zu bilanzieren. Handelt es sich um eine gemeinschaftliche Tätigkeit, sind die genutzten Vermögenswerte oder Schulden anteilig (=quotal) zu bilanzieren.

Das in IAS 31 enthaltene Wahlrecht zur Bilanzierung nach der Quotenkonsolidierung wurde mit IFRS 11 abgeschafft. Dies kann an einem einfachen Beispiel skizziert werden: Zwei Parteien beschließen, eine Maschine anzuschaffen und diese auch gemeinsam zu betreiben. Die Parteien vereinbaren, dass die Maschine beiden Teilen je zur Hälfte gehört und auch je zur Hälfte genutzt werden darf. Ferner haben beide zu gleichen Teilen die Unterhaltskosten zu tragen. Dieser Sachverhalt führt in der Beurteilung nach IFRS 11 dazu, dass ein gemeinschaftlich genutzter Vermögenswert vorliegt (jointly controlled asset) und daher jede Partei ihren Anteil an der Maschine bilanziert.

Vereinbaren die Parteien jedoch, dass die Maschine über eine GmbH erworben wird, kann das Ergebnis sein, dass es sich um ein Joint Venture handelt. Voraussetzung hier jedoch ist, dass diese GmbH über gesellschafterähnliche Vorgänge gesteuert wird, also die Gesellschafterstellung im Vordergrund steht. Mit anderen Worten: Begründet die gemeinschaftliche Vereinbarung Rechte (und Pflichten) am Nettovermögen der GmbH und nicht an deren einzelnen Vermögenswerten und Schulden, wird es sich i.A. um ein Gemeinschaftsunternehmen handeln. Zusammenfassend zeigt dieses Beispiel auch das vergleichsweise große Gestaltungspotenzial, das die Bilanzierenden nach IFRS 11 haben. Die Klassifizierung in diese beiden Arten gemeinschaftlicher Vereinbarungen lässt sich anhand des auf der nächsten Seite abgebildeten Entscheidungsbaums (vgl. IFRS 11.B33) grafisch darstellen.

At-Equity gegenüber anteiliger Bilanzierung

Handelt es sich um eine gemeinschaftliche Tätigkeit (Joint Operations), bilanziert jeder der beteiligten Parteien seine ihm unmittelbar zugeordneten Vermögenswerte, Schulden, Aufwendungen und Erträge sowie seinen Anteil an den gemeinschaftlich gehaltenen Vermögenswerten und Schulden bzw. seinen Anteil an den gemeinschaftlich erwirtschafteten Erträgen und gemeinschaftlich angefallenen Aufwendungen. Liegt hingegen ein Gemeinschaftsunternehmen vor, d.h. die beteiligten Parteien haben einen anteiligen Anspruch nur auf Nettovermögen und das Ergebnis des Gemeinschaftsunternehmens, ist nunmehr ausschließlich nach der Equity-Methode zu bilanzieren, denn nur durch die Equity-Methode erfolgt die korrekte bilanzielle Abbildung der Beteiligung am Nettovermögen (= Eigenkapital) des Gemeinschaftsunternehmen.

Die Essenz daraus

Die Neuregelungen des IFRS 11 sind konzeptionell eine Abkehr von der Bilanzierung nach der rechtlichen Form der Zusammenarbeit, wie dies IAS 31 noch vorsah, hin zu einer wirtschaftlichen Betrachtung von Rechten und Pflichten der Parteien einer gemeinschaftlichen Vereinbarung. Begründen diese Rechte und Pflichten einen Anteil an (einzelnen) Vermögenswerten und Schulden, liegt eine gemeinschaftliche Tätigkeit (Joint Operations) vor, bei der die Parteien ihre Anteile an den Vermögenswerten, Schulden, Aufwendungen und Erträgen einzeln bilanzieren. Stellen diese Rechte und Pflichten jedoch einen Anteil am Nettovermögen (= Eigenkapital) dar, handelt es sich um ein Gemeinschaftsunternehmen (Joint Venture) und die Parteien bilanzieren ihre Beteiligung an dem Joint Venture nach der Equity-Methode.

Die Autoren

Prof. Dr. Martin Klem lehrt Bilanzierung und Revision an der FH Flensburg. Als Wirtschaftsprüfer, Chartered Certified Accountant (FCCA) und Steuerberater betreut er dort insbesondere den Masterstudienschwerpunkt „Accounting & Audit“. Als Geschäftsführer (und Mitgründer) der Fidacta Treuhand GmbH WPG ist er u.a. fachlicher Leiter Für die deutschsprachige Übersetzung der offiziellen IFRS-Textausgabe. National und international ist er in mehreren Bereichen der Wirtschaftsprüfung wie Jahresabschlussprüfung, Unternehmensbewertung oder Due Diligence tätig.

Michael Kapitza ist Partner bei Esche Schümann Commichau in Hamburg und Mitglied im Review Committee der IFRS Foundation. Zuvor arbeitete er mehr als 10 Jahre bei PricewaterhouseCoopers in den Bereichen Audit und Capital Markets u.a. als IFRS-Spezialist und betreute zahlreiche DPR-Verfahren. Er ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater.